Abenteuer Landgericht – zweiter Besuch

 

Nun, die Frist von 10 Tagen wollte ich nun dennoch nutzen, um am Landgericht nachzufragen, wie es denn dazu kommen könnte, dass ein solcher Irrtum in einer von einem Richter unterschriebenen Ablehnungsbescheid stehen könnte. Und da ich weiß, dass es sich nicht lohnt, diesen Gang aufzuschieben, da frau ihn dann doch nicht mehr macht, machte ich mich zur nächsten Gelegenheit bereit, um mich dorthin zu begeben.

 

Am Morgen besagten Tages war ich schon sehr früh wach und nichts hielt mich mehr in den Federn. Also stand ich auf, machte mich fertig und setze mich, da es so um 4 Uhr morgens war, also die Zeit zu der die Hähne in früheren Zeiten noch krähen durften, daran, einige Sachen an meinen Schreibtisch zu bearbeiten. Denn so ein Leben als Sozialhilfeempfänger ist weit davon entfernt so auszusehen, dass man den ganzen Tag vor dem Fernsehen sitzt, um sich gewisse Sendungen über HartzIV-Empfänger anzusehen, in denen klar gestellt wird, dass sie an schlechter Erziehung und hohem Unwissen leiden, und unverbesserlich faul sind.

 

Ganz im Gegenteil, momentan hatte ich genug damit zu tun, mein Leben in Ordnung zu bringen und in dieser Papierkrieg-Gesellschaft war dies damit verbunden, dass ich meine Steuererklärung vorbereiten musste, mich um den Pflegegeldantrag von meinem Freund kümmern musste, bei dem schon der dritte Widerspruch wegen falscher Diagnose anstand, eine Rentennachzahlung auf meine ausländische Rente zu bearbeiten hatte, und dies dann auch noch dem Sozialamt mitteilen musste, damit sie den anzurechnenden Betrag angleichen konnten und so ganz nebenbei noch die Aufrechnungen meiner Aufstockung der letzten Jahre zu überprüfen hatte.

 

So um sieben Uhr, nachdem ich in einigen Akten gewühlt hatte, überfiel mich plötzlich eine kleine Müdigkeit, und da ich erst um 9 Uhr fahren musste, beschloss ich, mich noch einen Moment hinzulegen, um den versäumten Schlaf der Nacht nachzuholen. Dies entpuppte sich als keine gute Idee, leider war ich so schlaftrunken, dass ich um halb neun verärgert auf meinen Wecker schlug, um dann erst um 10:30 Uhr aufzustehen.

 

Natürlich ärgerte ich mich, jetzt war es schon eine Stunde zu spät, aber ich konnte es doch noch bis 12 Uhr zum Landgericht schaffen. Also packte ich meine Sachen und machte mich auf den Weg. Da ich schon einmal da gewesen war, sah ich nicht nochmal auf die Adresse und stieg am Wiesbadener Bahnhof in einen Bus, der in die richtige Richtung ging. Aber irgendwie hatte ich dann doch die falsche Straße im Kopf, anstatt an die Mainzer Straße zu fahren, bildete ich mir ein, das Landgericht läge in der Berliner Straße und natürlich irrte ich erst einmal verloren an der großen Straße herum, als ich dann an irgendeiner Bushaltestelle dort ausgestiegen war. Anscheinend waren mir die Götter nicht wohlgesonnen und ich schimpfte wie ein Rohrspatz.

 

Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass nicht viel Zeit übrig war, daher suchte ich traurig eine Bushaltestelle und setzte mich dort auf die Bank, um über mein Leben nachzudenken. Glücklicherweise waren ja noch einige Tage Zeit, dann könnte ich mich besser auf einen pünktlichen Besuch beim Landgericht vorbereiten.

 

Und diesmal würde ich auch am Abend vorher fleißig beten, damit alles gut ginge! Anscheinend hatte auch mein Gebet auf der Bank  gewirkt, denn ein Bus hielt an, und einige Menschen stiegen aus. In einem letzten verzweifelten Versuch fragte ich eine Dame, wie ich nun denn am besten zum Landgericht kommen könnte, und sie gab mir bereitwillig Antwort. Ach so, ich hatte mich im Straßennamen geirrt!

 

So schaffte ich es dann doch noch: Um 11:40 Uhr stand ich vor dem Landgericht! Nach der obligatorischen Überprüfung auf Bomben und Stichwaffen, ließ ich meinen Rucksack beim Empfang liegen, denn ich hatte mein Brotmesser für meine Rheingauer Mittagsmahlzeit, „Weck mit Worscht“ dabei, und dies fiel ja auch unter die Bezeichnung „Stichwaffen“.

 

Bewaffnet mit meinem Ordner machte ich mich nun auf in die zweite Etage, man hatte mir dort eine Zimmernummer genannt, nachdem ich das Aktenzeichen der Ablehnung angegeben hatte.

 

Vor besagter Zimmertür angekommen, klopfte ich nett an. Keine Antwort! Also drückte ich auf die Klinke: Sie war verschlossen!

Ja, hatten sie sich denn schon wieder alle gegen mich verschworen und ließen mich vor verschlossener Türe stehen! War ich denn als nun anerkannte Sozialhilfeempfängerin die Einzige, die nicht vor schwierigen Situationen davonlief!

 

Ich klopfte an eine andere Türe von einem Büro mit dem Schildchen: „Richter“ , und als ich ein: „Herein!“ hörte, trat ich ein und fragte: „Wo ist eigentlich die Person aus dem Zimmer nebenan? Ich habe diese Zimmernummer bekommen, als ich mein Aktenzeichen angegeben habe und wieder ist keiner da! Also ich möchte auch mal so gut bezahlt werden, um bei Stresssituationen zu Hause bleiben zu können!“

Die Dame lächelte freundlich und meinte: „Gehen zu mal zu der Zimmernummer: …!“

 

Dies tat ich auch, und dort traf ich auch eine Dame an. An der Bürotüre stand: „Personalabteilung“. Das war ja dann genau der richtige Ort! Ich stellte mich vor und beklagte mich, dass in dem für mein Aktenzeichen zuständigen Büro wohl keiner da wäre.

Die Dame meinte, dass die zuständige Person schon in der Mittagspause sei und ich wohl eine halbe Stunde warten müsse. Also setzte ich mich auf einen Stuhl einer Sitzgruppe auf dem Gang und wartete. Nach einer halben Stunde teilte die Dame aus dem Personalbüro mir mit, dass ich wohl erst am Nachmittag jemanden antreffen würde.

Da ich noch einiges in Wiesbaden zu erledigen hatte, packte ich meine sieben Sachen und machte mich auf den Weg in die Stadt. Einige Stunden später kehrte ich dann wieder ins Landgericht zurück, um diesmal doch jemanden in den besagten Büro anzutreffen.

 

Die Dame sah sich meinen Bescheid an, machte eine Kopie des Briefumschlages, der bewies, dass ich das Urteil erst am 21. Juni erhalten hatte, und somit meinen Antrag auf Prozesskostenhilfe in der Frist gestellt hätte, und meinte, sie würde es weiterleiten.

 

Inzwischen misstrauischer geworden, forderte ich sie freundlich auf, mir dieses doch schriftlich zu geben. Ich könne nicht verstehen, wie so ein Irrtum unterlaufen könne. Würde denn das Urteil nicht vorliegen? „Nein!“, antwortete sie. Nun, jetzt war ich doch ein wenig entsetzt!

 

Als ich später auf meiner Bestätigung nachlas, wer unterschrieben hatte, stellte ich fest, dass es nicht die Richterin, sondern eine Justizangestellte war.

 

Tschüss Hessen!!! Ihr wählt, was ihr haben wollt!